Beschreibung
Mit Die Tagebücher der Tannen veröffentlicht Guy Helminger bereits seinen siebten Gedichtband. Während die ersten lyrischen Publikationen vor allem um die Rekonstruktion von Wahrgenommenem im Gedicht handelten und dabei den Entstehungsprozess mitthematisierten, das Synapsen-Zapping abbildeten, hatte der 1963 in Esch-Alzette in Luxemburg geborene Schriftsteller sich in den Folgebänden im Sinne einer konzeptuellen Kontinuität bereits mit dem sprachlich-bildhaften Endresultat dieser Rekonstruktion in unserem Gehirn befasst. Nun geht er wieder einen Schritt weiter und thematisiert den poetischen Kern dieses Denkens, wagt sich auf ein Feld des Ahnens vor, auf dem die Sprachwerdung zugleich Suche nach dem Sein hinter der Natur ist. Die Bildhaftigkeit der Funde ist ein regelrechter Exzess. Eine Poesie von einer geradezu verwirrenden Haptik.
Guy Helminger wurde 1963 in Esch/Alzette geboren und lebt seit 1985 in Köln. Er schreibt Gedichte, Romane, Hörspiele, Theater. Sein Schreiben wurde unter anderem mit dem Prix Servais, 3sat-Preis, Prix du mérite culturel de la ville d’Esch und dem Dresdner Lyrikpreis geehrt. In den letzten Jahren erschienen Gedichte, Theaterstücke, Stories und Romane.
Ein erkälteter Morgen
schleppt sich über den Holzsteg in
Harlingen rudert übers Meer in der
Hoffnung schon bald den Horizont
zu erreichen Die Schwarzkopfmöwen
schneiden Segel an die Masten Wenn
die Schiffe den Hafen verlassen wird
der Himmel aus wenigen Stoffresten
bestehen und wir werden uns an den
Angelruten festhalten und dort hinein
schauen wo die Toten ihrer Knochen
beraubt sind Frage: Was würdest du
mitnehmen aus einem
überschwemmten Haus? Antwort:
Die Überschwemmung
Aber mittlerweile sind wir reich genug
und haben die Austern angewiesen
Pfennige statt Perlen zu produzieren