Beschreibung
Ein Europa der Kriege und der Zerstörung, aber auch der schöpferischen Unruhe, die in unvergleichlichen Kunstwerken gipfelt: Ein junger Mujahed vermißt schmerzlich seinen Osloer Stadtteil Grønland, die Geschichte Polens scheint auf in Warschauer Notaten, Alltagsgedichte stehen neben Liebesgesängen und der Totenmaske John Keats’. Ein zögernder Orpheus betrachtet Menschen in der Straßenbahn und Prachtfassaden in Wien. Der Spatz in der Osterhaus-gate flattert vor Tizians Aktäon. Ulrik Farestad (*1984) ist Dichter, Übersetzer und Literaturwissenschaftler. Seine Gedichte „stellen die großen Fragen, in vollem Ernst, und das macht Ulrik Farestad zu einer Rara Avis, einem seltenen Vogel, in der norwegischen Literatur.“ (Henning Næss)
Alltagsszene I
„… nur Erde solle zur Erde werden.“
– Gottfried Benn
Ich gucke aus dem Fenster, als eben
das Müllauto unten hält,
und einer der Müllmänner hebt etwas auf,
das aus einem der Beutel gefallen war –
eine Perlenkette.
Eine billige Imitation, zweifellos.
Dennoch putzt er die Perlen
und steckt die Kette in die Tasche. Wem
wird er sie schenken? Und für wen
hebe ich dieses Bild aus
dem schmutzigen Überfluß des Tages auf,
als wäre es
so kostbar?